Er war einer der großen Querdenker der modernen Physik: Der Träger des alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr ist im Alter von 84 Jahren verstorben. (Quelle)
Über den Rand hinausdenken
Hans-Peter Dürr wagte, was nur wenige seiner Kollegen wagen: Über den Rand seiner Disziplin hinauszudenken - selbst wenn es spirituelle und esoterische Themen berührt. Er schrieb für große wissenschaftliche Magazine genauso wie für kleine spirituelle, Angst um seinen Ruf als einer der wenigen Schüler Heisenbergs hatte er dabei nicht, es ging ihm um die Sache, um ein neues, verbindendes Weltbild.
Dürr war nicht nur ein brillanter Wissenschaftler, der trotz seiner zahlreichen Ausflüge in spirituelle Gefilde stets sein Ansehen bei Kollegen und der Fachpresse behielt, er war auch ein Umwelt- und Friedensaktivist, der sich gegen Atomkraft und die Ausbeutung der Natur engagierte. Auch vor politischen Themen machte er nicht Halt und sprach sich zum Beispiel öffentlich gegen die jüngsten Nato-Kriege aus.
Materie gibt es nicht
In seinem Handeln zeigte Dürr, wie sehr er der Welt und dem Leben zugewandt war, auch wenn seine Theorien fast transzendenter Natur waren. Er lebte vor, dass tiefe philosophische Einsicht und gesellschaftliches Engagement sich nicht ausschließen - trotz seiner zentralen Erkenntnis, das Materie gar nicht existiert.
"Ich habe mein ganzes Forscherleben damit verbracht, zu untersuchen, was tatsächlich hinter der Materie steckt. Das Endergebnis ist ganz einfach, wenn auch überraschend: Es gibt gar keine Materie! Ich habe somit fünfzig Jahre nach etwas gesucht, was es gar nicht gibt. »Der arme Kerl«, denken Sie jetzt vielleicht, »hat fünfzig Jahre seines Lebens an etwas drangegeben, was es gar nicht gibt.« Doch ich kann Ihnen versichern, dass es sich gelohnt hat, den weiten Weg zu gehen. Zu sehen, dass das, von dessen Wirklichkeit alle überzeugt sind, am Ende gar nicht existiert, ist eine erstaunliche, geradezu phantastische Erkenntnis. Was aber macht ein Naturwissenschaftler, wenn er plötzlich erkennt, dass es das, was als die Grundlage der Naturwissenschaft gilt - nämlich Materie, die wir alle greifen können - gar nicht gibt? Dass diese Wirklichkeit eine völlig andere ist, als wir bislang annahmen? [...] Mich führte dies zu der Einsicht, dass wir wieder die spirituelle Dimension unserer Existenz erkennen müssen, die wir verdrängt haben." schrieb er für die Tattva Viveka.
"Der entscheidende Punkt, an dem uns Physikern die Materie abhanden gekommen war, hat mit der Struktur des Atoms zu tun. Durch die Erforschung der Atome erhoffte sich die Naturwissenschaft, die Welt endgültig in den Griff zu bekommen. Dies konnte nur gelingen, wenn es gelänge, die Materie von der Form abzulösen. Doch wie sollte dies gehen? Die traditionelle Methode der Wissenschaft besteht darin, das Ganze auseinander zu nehmen und in Einzelteile zu zerlegen. Wissenschaftler glauben, dass sie so die Welt verstehen könnten. Wir nahmen also ein Beil und zerschlugen erst einmal den Tisch. Damit war seine ursprüngliche Form zwar kaputt, doch es entstanden neue Teile, die wiederum eine Form hatten. Daher schlugen wir mit dem Beil weiter auf diese Teile ein, in der Hoffnung, ihre Form zu beseitigen. Auf die Art und Weise wird man schließlich zum Atomphysiker. Beim Atom angekommen, meinten wir endlich am Ziel zu sein. Jetzt hatten wir das a-tomos gefunden: Das, was sich nicht mehr spalten lässt – reine Materie ohne Form. Doch dann kam der Experimentalphysiker Lord Rutherford daher und zeigte, dass auch dieses Atom noch eine Struktur hat. Wieder mussten wir das Beil nehmen und nachsehen, wie es im Inneren des Atoms ausschaut. Man fand eine Struktur, die einem Planetensystem glich mit einem schweren Kern, umkreist von leichteren Elektronen und zusammengehalten durch elektrische Kräfte. Es erschien naheliegend, dieses in Analogie zu unserem bekannten, durch die Gravitation zusammengehaltenen Planetensystem zu verstehen und mechanistisch zu erklären. Doch auch dies misslang, als wir erkennen mussten, dass es instabil ist und damit den bislang geltenden Naturgesetzen widerspricht. Es blieb also nur noch die Folgerung: Die bisherigen Naturgesetze entsprechen nicht der Wirklichkeit. Denn letzten Endes gibt es nur eine Art Schwingung. Es gibt streng genommen keine Elektronen, es gibt keinen Atomkern, sie sind eigentlich nur Schwingungsfiguren. An diesem Punkt hatten wir die Materie verloren."
"Was wir am Ende allen Zerteilens vorfanden, waren keine unzerstörbaren Teilchen, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern ein feuriges Brodeln, ein ständiges Entstehen und Vergehen, etwas, das mehr dem Geistigen ähnelt – ganzheitlich, offen, lebendig. Im Grunde, so müssen wir nun sagen, gibt es nur Geist. Die Materie ist gleichsam die Schlacke des Geistigen. In unserer begrenzten menschlichen Wahrnehmung nehmen wir diese Schlacke, da wir sie mit Händen greifen können, jedoch weit wichtiger als das geistig Lebendige. Tatsächlich aber gilt es zu erkennen: Es gibt letztlich gar nichts Seiendes, nichts, was aus sich heraus existiert. Es gibt nur Veränderung, Wandel, Prozesse. Vor diesem Hintergrund können wir sagen: In jedem Augenblick wird die Welt neu geschaffen."
Diese energetische Realität wieder ins Blickfeld der Wissenschaft zu rücken, das ist der große Verdienst von Hans-Peter Dürr.
- Weitere Quellen: SRF Sternstunde Philosophie
- Tattva: Teilhaben an einer unteilbaren Welt
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